Gespräch am 16. Mai 2024 um 19 Uhr
Eigentlich wollte Katia Mann ihre Erinnerungen nicht aufzeichnen, es müsse schließlich einen Menschen in dieser Familie geben, der nicht schreibe… Dann solle sie ihr Leben erzählen, sagte ihr Ernst Schnabel, Intendant des Nordwestdeutschen Rundfunks, bei einem Empfang im Hamburger Rathaus.
Aber es fand sich niemand, mit dem sie sich auf dieses Unternehmen einlassen wollte. Erst als sie bei Fernsehaufnahmen eine junge Germanistin kennenlernte, sagte sie: »Ja, mit der mach ich’s!«
Die 1974 erschienenen „Ungeschriebenen Memoiren“ wurden einer der großen Bucherfolge der Bundesrepublik. Und Elisabeth Plessen, die damals gemeinsam mit Michael Mann die Fragen stellte und Katia Mann zum Reden brachte, erzählt fünfzig Jahre später in Heft 3/2024 von „Sinn und Form“ zum ersten Mal von der Atmosphäre der Begegnungen und der Entstehung des Buches, aber auch von den Schwierigkeiten, die sie in der Verlagswelt und in der Familie überwinden mußte und die das Projekt immer wieder fast zum Scheitern gebracht hätten. Golo Mann erklärte ihr rigoros: »Wir sind eine schriftsprachige Familie, Parlando kommt uns nicht unter.«
Die von der Akademie der Künste herausgegebenen Zeitschrift „Sinn und Form“ feiert in diesem Jahr ein Jubiläum, sie wird fünfundsiebzig Jahre alt. Über das erste Heft schrieb Thomas Mann im Februar 1949: „Die Zeitschrift wirkt außerordentlich vornehm und wird, dieser Eröffnungsausgabe nach zu schließen, wohl rasch den ersten Platz unter den deutschen literarischen Revuen einnehmen.“ In dem international renommierten Periodikum werden außer Debüts und Beiträgen anerkannter Autorinnen und Autoren immer wieder auch Archivfunde sowie vergessene oder erst zu entdeckende Schriftstellerinnen und Schriftsteller vorgestellt. Gerade in Zeiten des affektgeladenen Schreibens und gereizten Reagierens steht Sinn und Form durch seine Konstanz für eine geistige Haltung, die sich Lagerbildungen entzieht und für das Mehrdeutige, Unvorhersehbare offen bleibt.
Karten (15 Euro) können vor Ort und etwaige Restkarten am Abend der Veranstaltung erworben werden.
Personen unter 25 Jahre: 5 Euro
Elisabeth Plessen, geb. 1944 in Neustadt in Holstein, Schriftstellerin und Übersetzerin, lebt in Berlin. 1976 erschien „Mitteilung an den Adel“, zuletzt veröffentlichte sie die Romane „Die Unerwünschte“ (2019) und „Die Frau in den Bäumen“ (2023).
Matthias Weichelt, geb. 1971 in Lichtenstein / Sachsen, seit 2013 Chefredakteur von Sinn und Form. 2018 erschien „Peter Huchel. Leben in Bildern“, 2020 „Der verschwundene Zeuge. Das kurze Leben des Felix Hartlaub“.
Copyright Foto Matthias Weichelt by Bernd Wannenmacher | Copyright Foto Elisabeth Plessen by Marco Arturo Marelli