Werkkatalog Kolbe-Museum/Berger 1990 Nr. 31
In der Kleinplastik „Kauernde“ widmet sich Georg Kolbe dem zentralen Sujet seines OEuvres: dem weiblichen Akt. Ursel Berger beschreibt die von der Dargestellten ausgehende Ruhe treffend: „Die ‚Kauernde’ zeichnet sich durch einen nahezu symmetrischen Aufbau von großer Klarheit aus. Arme und Unterschenkel stehen in rechtem Winkel zueinander und bilden ein auf die Spitze gestelltes Quadrat. Dennoch wirkt die Figur nicht konstruiert; durch den nach hinten geworfenen Kopf mit den geschlossenen Augen und dem gespannten Gesichtsausdruck vermittelt sie einen für Kolbes Werke typischen Stimmungsgehalt.“1 Dieser wird bei der „Kauernden“ nochmals unterstützt durch die sehr glatte Oberfläche, die das Licht reflektiert und die Körperlichkeit der Darstellung betont. Die symmetrische runde Komposition lädt ferner zum Umrunden und Betrachten der Figur von allen Seiten ein. Entstanden ist unsere Plastik im Jahre 1917, also während des Ersten Weltkrieges, in den Kolbe selbst später als Rekrut eingezogen wird. Er schreibt 1917:„[…] leider kann ich Ihnen durchaus nicht unseren Besuch in M. [München] ansagen. Von Kühlmann’s Reklamation ist abgelehnt worden. Dafür hat man mich gestern noch einmal gemustert und Infanterie Kriegsverwendungsfähig geschrieben. Einziehung in den nächsten Tagen. Der Stein ist ins Rollen gekommen, aber er rollt in die entgegengesetzte Seite hinab. Hätte ich wenigstens Flieger bleiben können! […]“2 Kolbe verweist mit dieser Aussage auf seine Ausbildung zum Flieger, die er 1914 begonnen hatte. Anscheinend wird er jedoch nicht als Flieger eingesetzt und muss auch keine Fronteinsätze absolvieren.3 Vielmehr reist er 1917 nach Istanbul und arbeitet dort während eines längeren Aufenthalts vorwiegend als Porträtist.